Offener Brief an die Stadtwerke Flensburg

Sehr geehrter Herr Thole,
sehr geehrte Mitglieder des Expertengremiums,

als Bündnis 90/Die Grünen freuen wir uns sehr, dass die Stadtwerke sich auf den Weg zur Umsetzung des Transformationsplans gemacht haben und dass dieser Weg durch fachliche Expertise von außen begleitet wird. Wir sind jedem einzelnen von Ihnen dankbar, dass Sie sich die Zeit nehmen, den eingeschlagenen Weg miteinander zu diskutieren, abzuwägen und dafür auch Ihre persönliche Zeit einzubringen.

Gleichzeitig sind wir sehr verwundert darüber, dass im Jahre 2024 ein 10-köpfiges Experten- gremium zusammengestellt werden kann, indem Frauen gänzlich fehlen. Nicht nur wurde hier offensichtlich keine paritätische Besetzung mit Expert*innen angestrebt, es ist nicht mal eine einzige Frau Mitglied eines Gremiums, das für einen Zeitraum von 15 Jahren (!) „be- ratende, hinterfragende, anregende und kontrollierende Funktionen“ ausüben soll.

Wir möchten hier einige Gründe nennen, warum es aus unserer Sicht so nicht akzeptabel sein kann, von einer „gesellschaftlich breit aufgestellten Begleitung und Überprüfung der für die Einhaltung des Transformationsplans geplanten Maßnahmen“ zu sprechen.

1. Erkenntnisse aus der Forschung weisen zunehmend darauf hin, dass Genderaspekte bei der Gestaltung und Umsetzung der Energiewende zu berücksichtigen sind. Geschlechteri- dentitäten und Geschlechterrollen wirken sich auf das Konsumverhalten aus, auch im Ener- giebereich. Da Frauen – zusätzlich zu ihrer Erwerbsarbeit – noch immer einen Großteil der Versorgungsarbeit in den Haushalten übernehmen, fallen verhaltensbedingte Energieeinspa- rungen eher in ihren Zuständigkeitsbereich. Es ist daher von hoher Bedeutung Lösungen an- zustreben, die für sie im Kontext sich unterscheidender Alltagsentwürfe praxistauglich sind. Hinzu kommt, dass Frauen überproportional häufig von Armut betroffen sind und sich eine Veränderung der Energiepreise vor allem auf einkommensschwache Haushalte auswirkt.

2. Im Energiesektor sind Frauen generell unterrepräsentiert, insbesondere auf Führungs- ebene. Ein Grund dafür ist, dass der Zugang zur Energiewirtschaft über technische Ausbil- dungsgänge verläuft, in denen der Frauenanteil häufig gering ist. Auf Grund dieser Unterre- präsentanz werden ihre Einstellungen und Präferenzen sowie ihre Lösungsoptionen ver- nachlässigt. Mit einem paritätisch besetzten Expert*innengremium bestünde zumindest die Chance, den planerisch, konzeptionell und politisch geringeren Einflussmöglichkeiten von Frauen in diesem Wirtschaftssektor ein Stück weit entgegenzuwirken.

3. Das Image der Stadtwerke leidet unter der sich ständig wiederholenden Darstellung eines Wirtschaftszweigs als reiner Männerdomäne. Es ist nicht akzeptabel, mit geringen Frauenanteilen in den entsprechenden technischen Studiengängen zu argumentieren und sich hie- rauf zurückzuziehen. Vielmehr wählen viele Studierende ihre Fächer auch mit Blick auf Un- ternehmen, in denen sie sich vorstellen können, später tätig zu sein. Vor diesem Hintergrund haben die Stadtwerke Flensburg als Arbeitgeber auch eine Vorbildfunktion in der Region inne.

Mindestens im Bereich der Flensburger Wissenschaft, beim Klimaschutzmanagement der Stadtverwaltung und beim Klimapakt wäre es möglich gewesen, qualifizierte Frauen für das Gremium zu rekrutieren. Wir möchten Sie bitten, hierzu Stellung zu nehmen und entspre- chende Veränderungen zeitnah in die Wege zu leiten.

Mit freundlichen Grüßen

Marlene Langholz-Kaiser, Annabell Pescher, Leon Bossen, Marc Jöns, und Katja Claussen