»Feststellung der epidemischen Lage« Rede Eka von Kalben

Unsere Stärke ist der Zusammenhalt

Die Omikron-Variante des Coronavirus hat uns erreicht. Und sie kam nicht überraschend. Allein ein Blick nach Dänemark reicht aus. Der Blick auf die Zahlen des Robert-Koch-Instituts von heute Morgen zeigt ein klares – und auch trauriges – Bild. Schleswig-Holstein ist mit einer Inzidenz von fast 530 deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Das ist absolut unbefriedigend und zeigt, dass wir auch noch in den kommenden Wochen Vorsicht walten lassen müssen.

Deshalb ist es richtig, dass wir heute im Landtag die epidemische Notlage für Schleswig-Holstein feststellen, um den Handlungsrahmen für rechtssichere Maßnahmen der Landesregierung zu erweitern. Und auch, dass wir uns endlich geeinigt haben, eine entsprechende Regelung für die Durchführung von digitalen Parteitagen zu vereinbaren. Ein Beschluss, den wir schon im Dezember gerne gehabt hätten.

Dass die Feststellung der epidemischen Lage richtig ist, zeigt auch der Blick zurück. Vor Weihnachten haben wir uns entschlossen, im Rahmen der Empfehlungen der Ministerpräsident*innenkonferenz vom 21.Dezember 2021 zu bleiben, zum 28. Dezember 2021 weitere Verschärfungen vorzunehmen und keine epidemische Lage für Schleswig-Holstein auszurufen. Ein Fehler, wie wir heute erkennen müssen. 

Es wäre richtig gewesen, noch im Dezember die epidemische Notlage zu erklären, um rechtssicher – ich betone rechtssicher – die Bars und Diskotheken zu schließen. Und das entgegen dem Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz auch schon vor Weihnachten.

Aber das ist vergossene Milch und ich habe auch von der Opposition keinen Antrag auf eine Sondersitzung und keine entsprechenden Anträge gesehen. Insofern erscheint mir die Empörung unglaubwürdig. Liebe SPD-Fraktion, auch Sie hatten die Gelegenheit zu der Sitzung des Plenums im Dezember einen Antrag zur epidemischen Lage einzubringen. Sie hätten Schlauberger sein können, aber Sie sind es eben nicht. Das ist keine glaubwürdige Oppositionsarbeit.

Fakt ist: Omikron wird sich ausbreiten und hätte sich auch ohne die Diskothekenbesuche in Schleswig-Holstein breit gemacht. Vielleicht weniger rasant, aber unaufhaltsam. Es ist nicht verwunderlich, dass es uns als Nachbarland zu Dänemark besonders trifft. Fakt ist, dass wir in diesem Land immer noch auf Vorsicht setzen und uns bei der Bekämpfung der Pandemie nicht verstecken müssen. Wir tun was nötig ist und handeln verhältnismäßig. Bei uns wurde die Regel für den Einzelhandel nicht gekippt.

Meine Damen und Herren, ich empfand immer einen gewissen Stolz auf mein Bundesland, wenn ich in den vergangenen zwei Jahren von meinen Grünen Fraktionsvorsitzenden aus den anderen Bundesländern gefragt wurde: Wie schafft ihr es, so gut durch diese Krise zu kommen? Meine Antwort? Wir sind in Schleswig-Holstein solidarische Menschen, die aufeinander achten und die zueinanderstehen.

Aber trotz allem: Nach wie vor kämpfen wir mit dem Virus. Hohe Infektionszahlen, Personalausfälle wegen Erkrankungen und Quarantäne geben Grund zur Besorgnis. Und wenn die Zahlen sich weiter so massiv erhöhen, drohen wieder mehr Menschen im Krankenhaus zu landen. Wir wissen, dass Kontaktbeschränkungen und Boostern offensichtlich nach wie vor die wirksamsten Mittel sind, um in eine Lage zu kommen, in der wir mit dem Virus leben können.

Meine Damen und Herren, Es gibt aber ein wiederkehrendes Problem: Es ist immer schwierig, politische Maßnahmen zu beschließen, wenn das Problem noch nicht offensichtlich ist. Wenn es zwar vor der Haustür steht, aber noch nicht eingetreten ist. Wir schauen immer auf die aktuellen Inzidenzen, auf die aktuelle Situation in den Krankenhäusern. Die kann aber in zwei Wochen ganz anders aussehen. 

Wir müssen noch mehr auf diejenigen hören, die das beschreiben, was auf uns zukommt. Auf diejenigen, die Szenarien modellieren. Ich bin aber zuversichtlich, dass die nun vorliegenden Maßnahmen genau diesem vorsorgenden Gedanken gerecht werden.

Eine dieser Maßnahmen ist natürlich das Impfen. Im Plenum im Dezember haben wir uns mit der Impfkampagne beschäftigt. Es wird geimpft und geboostert und es läuft gut in Schleswig-Holstein. Impfen und Boostern sind die wichtigsten Bausteine, um gut durch das Frühjahr zu kommen. Und an dieser Stelle danke ich nicht nur all den Menschen, die diese Impfangebote realisieren, sondern besonders denen, die sie jetzt nutzen. 

Ich bin immer wieder überrascht und wirklich begeistert, welche Vereine aber auch Einzelpersonen offene Impfangebote organisieren: Nicht nur Ärzt*innen, sondern auch Kommunen, Kirchen, Feuerwehren, Sportvereine und andere Einrichtungen. Und die Angebote werden genutzt.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob dies ausreichend sein oder ob es eine Entscheidung des Bundestages für eine allgemeine Impfpflicht geben wird. Ich finde es auf jeden Fall richtig, dass alles getan werden muss, damit besonders gefährdete Menschen geschützt werden. Und wenn dafür eine Impfung nötig ist, dann muss sie auch verpflichtend sein.

Hier sind allerdings noch sehr viele Fragen zu klären. Zum Beispiel, wie eine solche Impfpflicht durchgesetzt werden soll.

Nun gilt es in das neue Jahr zu schauen: Wie gehen wir jetzt weiter vor? Wir beschließen heute die epidemische Lage. Die Landesregierung wird Empfehlungen der Ministerpräsident*innenkonferenz vom vergangenen Freitag umsetzen. Und das konsequent.

Ich weiß, dass das zum Beispiel für die Gastronomie zu neuen Belastungen führt. Neue Einschränkungen durch die Pflicht, einen Test vorzulegen, kann erneut dazu führen, dass Menschen in Kurzarbeit gehen müssen und sich dann vielleicht eine andere Beschäftigung suchen.

Und auch kommunikativ stehen wir vor einem Problem: Bis vor kurzem noch sollten sich die Türen für doppelt Geimpfte ohne Einschränkungen öffnen. Nun braucht es den Booster. Das ist nervig und für viele nicht mehr nachzuvollziehen – aber es ist nötig. Das Virus mutiert. Das ist ein biologischer Fakt, auf den wir reagieren müssen. Auch wenn das erneut zu Corona-Maßnahmen in diesem Winter führt.

Deshalb ist es richtig, die Maskenpflicht in Innenräumen auszuweiten, möglichst mit FFP2-Masken; bei Veranstaltungen weniger Menschen zuzulassen; den Sport genauso wie schon die Gastronomie mit einer 2Gplus-Regel sicherer zu machen. Und es ist gut, dass diese Regel erst ab 18 Jahren greift, weil wir Jugendlichen nicht die Sportmöglichkeiten nehmen wollen.

Die Debatte um die Impfungen und die Einschränkungen für ungeimpfte Personen führt zu zahlreichen Diskussionen und zu Protesten. Die Aggressivität der Proteste verschleiert dabei manchmal, dass da nicht die Mehrheit und schon gar nicht „das Volk“ auf die Straße geht. Die Gruppen, die diese Aufmärsche inszenieren, haben nicht den Schutz unserer Freiheitsrechte im Sinn. Das Gegenteil ist der Fall. Und sie nutzen die Unsicherheit und Angst von Menschen für ihre Zwecke.

Ich bin sehr froh, dass der Verfassungsschutz hier genau hinschaut, wer sich da als Wolf im Schafspelz versteckt. Nicht nur die Morddrohungen aus dieser Szene, beispielsweise gegen die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, geben hier Anlass zu Sorge. Wir haben bei dem feigen Mord an dem Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 1. Juni 2019 gesehen, wohin der Hass in den sozialen Medien führt. Darum gilt ganz klar: Gegen rechten Hass und rechte Hetze setzen wir ein Stoppschild – das ist nicht quer, das ist kriminell.

Aber wir dürfen nicht alle, die unseren Apellen nicht folgen, in einen Topf schmeißen. Um die Pandemie wirksam zu bekämpfen, müssen wir mit den Menschen im Gespräch bleiben. Gerade mit den Kritiker*innen. Alle Regeln, ob 1G, 2G oder 3G, müssen verständlich sein. Und sie müssen zumindest von der Mehrheit akzeptiert werden. Zuhören, Haltung zeigen, argumentieren. Da dürfen wir nicht nachlassen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal einen Blick auf die Kinder und Jugendlichen richten. Wir wollen keine flächendeckenden Schließungen von Kitas und Schulen. Präsenz in Kita und Schule muss es weiterhin geben. Dafür müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden:

Damit sich die Klassen nicht zu sehr durchmischen, wird es Einschränkungen bei fächerübergreifendem Unterricht geben. Die Grundschulen gehen wieder in Kohorten. Fächer, in denen das Ansteckungsrisiko besonders groß ist, wie Sport und Musik, werden in den nächsten 14 Tagen eingeschränkt stattfinden. Die Maskenpflicht wird bleiben. In der Schule werden alle dreimal in der Woche getestet und in den Kitas wird es auch für alle genesenen und geimpften Mitarbeitenden eine Testpflicht geben. Ich als Grüne Kitapolitische Sprecherin begrüße es sehr, dass wir als Land die Kitas hier nicht auf den Kosten sitzen lassen.

Wir haben in den letzten zwei Jahren immer wieder betont, wie wichtig es uns ist, dass Kinder und Jugendliche ihre sozialen Kontakte pflegen können. Wie wichtig gerade in Bezug auf die Bildungsgerechtigkeit eine offene Schule ist. Wie erschöpft Familien mit Kindern waren, die diese monatelang zuhause neben der Arbeit betreuen mussten. Das wollen wir nicht noch einmal erleben. Und dennoch sind viele Eltern angesichts der erneuten Welle besorgt: Ist mit Omikron der Verlauf für Kinder wirklich nur wie ein Schnupfen? Können wir unsere Kinder guten Gewissens in Kita und Schule gehen lassen? Und wie wirkt die Impfung auf meine Kinder? Es ist eine wirklich schwierige Zeit für Eltern, aber auch für Erziehende.

Das bringt mich zu dem nächsten Aspekt, der sogenannten systemrelevanten Infrastruktur: Dem Gesundheitswesen, der Polizei, der Feuerwehr, aber auch den vielen Betrieben, die für unser tägliches Leben unverzichtbar sind. Wenn wir ehrlich sind, betrifft das fast alle Arbeitsbereiche.

Wir kennen die Prognosen, die schlechtesten Szenarien: breite Teile der Bevölkerung werden gleichzeitig krank, bleiben zu Hause und Teile der Infrastruktur funktionieren nicht mehr. Ja, es gibt Notfallpläne, besonders bei den Einrichtungen der allgemeinen Daseinsfürsorge. An vielen Stellen wird in Kohorten gearbeitet. Ich danke allen, die da jetzt viel Arbeit in neue Einsatzpläne gesteckt haben und die Mehrarbeit in Kauf nehmen.

Und trotzdem können wir nicht ausschließen, dass es auch im Januar zu Engpässen kommen kann. Das werden wir aushalten müssen. Die neue Quarantäneverordnung, die diese Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, wird dabei helfen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Auch wenn Omikron uns jetzt zu erneuten Verschärfungen zwingt, ist diese Mutation auch mit Hoffnung verbunden. Weil diese Variante zwar ansteckender ist als Delta, sie aber dafür nach jetzigem Erkenntnisstand mit einem milderen Krankheitsverlauf und einem geringeren Hospitalisierungsrisiko einhergeht.

Omikron könnte das Ende der Pandemie einläuten. Sicher ist das nicht, deshalb dürfen wir nicht übermütig werden. Aber zumindest gibt es ein Licht am Ende des Tunnels – wir wissen nur noch nicht, wie lang genau dieser Tunnel ist. 

Jetzt gerade herrscht Schietwetter und die Prognose sagt, es wird stürmisch. Was machen wir Schleswig-Holsteiner*innen dann? Wir ziehen uns warm an, warnen Nachbar*innen und Freund*innen und bestehen gemeinsam den Sturm – Bangbüx sein ist nicht unser Motto.

Vielen Dank.