Es ist Zeit für mutige Entscheidungen – Einstieg des Landes in Betracht ziehen

Offener Brief zur aktuellen Situation der Flensburger Werft

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Daniel Günther,

sehr geehrter Herr Minister Claus Ruhe Madsen,

die Flensburger Werft befindet sich nach wie vor in einer existenziellen Krise. Ihnen ist die Schwere der Situation zweifellos bekannt, und wir hier vor Ort nehmen das Engagement der Landesregierung für diesen zentralen Standort deutlich wahr. Dafür möchten wir Ihnen zunächst unseren aufrichtigen Dank aussprechen.

Doch trotz aller Bemühungen und zahlreicher Gesprächsversuche mit dem Investor und Eigentümer Lars Windhorst bleibt die Lage unverändert chaotisch. Es fehlt an Fortschritten, es fehlt an Vertrauen. Die Werft befindet sich erneut in einer Situation, in der Mitarbeiter*innen ihre Löhne nicht erhalten haben und mittlerweile sogar freigestellt sind. Die FSG – Nobiskrug steht nahezu ohne Aufträge da. Eine Führung, die Stabilität und Verlässlichkeit ausstrahlt, sucht man vergeblich.

Wir möchten klarstellen: Es wurde alles versucht. Unzählige Gespräche und Verhandlungen haben stattgefunden, um eine Lösung im Sinne der Werft und ihrer Belegschaft zu finden. Doch trotz all dieser Anstrengungen bleibt die Situation festgefahren. Die Werften sind eine Schlüsselindustrie von zentraler Bedeutung für Deutschland. Sie spielen nicht nur eine unverzichtbare Rolle im Güter- und Personentransport, sondern sind auch essenziell für die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft. Im Kontext des Grünen Wandels sind Werften entscheidend, um innovative und klimafreundliche Technologien im maritimen Bereich voranzutreiben und die Mobilitätswende aktiv zu gestalten. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass Deutschland seine klima- und industriepolitischen Ziele erreichen kann.

Unsere Werft hingegen treibt führungslos dahin – eine Katastrophe für die hochqualifizierten Fachkräfte, die Schleswig-Holstein und Deutschland dringend braucht. Diese Mitarbeiter*innen sind nicht das Problem, sondern die Lösung. Sie haben das Potenzial, die notwendigen Transformationsprozesse voranzutreiben und die Zukunft der Werft aktiv zu gestalten. Was sie jedoch brauchen, ist eine verlässliche Führung – eine, die mit ihnen, nicht gegen sie arbeitet.

Ein Investor, der seine Belegschaft nicht bezahlt, sie freistellt und nichts unternimmt, um sicherzustellen, dass Aufträge zuverlässig erfüllt werden, hat diese Führung nicht gezeigt. Wir können nicht länger darauf hoffen, dass diese Situation sich von selbst verbessert. Es ist Zeit, dass das Land Schleswig-Holstein Verantwortung übernimmt.

Deshalb appellieren wir persönlich an Sie: Wir brauchen jetzt mutige Entscheidungen. Lassen Sie uns unkonventionelle Wege einschlagen, aber mit einer klaren Zielsetzung: Geben Sie der Flensburger Werft eine Zukunft – ohne Lars Windhorst. Lassen Sie uns das Kind beim Namen nennen: Prüfen Sie den Einstieg des Landes in die Werft als eine ernstzunehmende Option. Nach all den gescheiterten Versuchen gibt es keinen Raum mehr für Zögern. Es geht darum, diesen bedeutenden Standort zu retten.

Das Grundgesetz gibt uns den Weg vor: Eigentum verpflichtet. Wenn die Zukunft der Werft auf dem Spiel steht, muss das Land bereit sein, in den Prozess einzusteigen und die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Transformation zu schaffen. Wir glauben fest daran, dass dies eine Chance für die Region und die Menschen ist.

Es wurde alles getan, um eine Lösung auf privater Ebene zu finden – nun müssen wir als Gesellschaft handeln. Ein Einstieg des Landes kann die Wende bringen, um den Menschen und der Region die Zukunft zu geben, die sie verdienen. Wir sind überzeugt, dass dies die Lösung ist, die wir gemeinsam anstreben müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Leon Bossen (Fraktionsvorsitzender Flensburger Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (mit Volt))

Rasmus Andresen (Mitglied des Europäischen Parlaments)